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Baumeister Natur

04.01.2020 Tag 114 9-15 Grad leicht bewölkt 6:30 aufstehen.

Ich bin spät ins Bett, habe schlecht geschlafen und wir starten heute früher. Eine schlechte Kombi für die heutigen 550 km. Nach einer Weile geht's auf die gefürchteten 70 km Piste der Routa 40.
Ich fahre nach vorne und pendle die Geschwindigkeit auf 90 kmh ein, plötzlich macht es einen Kracher, mein Vorderrad ist über einen größeren Stein den ich übersehen hab. Während ich mir noch denke ob das gut gegangen ist, leuchtet die Reifendruckanzeige erst gelb, dann rot und dann fängt das Vorderrad auch schon zu schlingern an. Der Stein muss genau auf das Felgenbett gegangen sein. Eine tiefe Delle klafft mir entgegen. Inzwischen ist auch Anna und Günther nachgekommen.
Als erstes versuchen wir die Felge mit meiner Campingaxt auszubiegen. Das reicht nicht, ein großer Stein richtet da schon mehr aus. Die Delle können wir fast wieder schließen. Mit dem Kompressor pumpen wir das Rad wieder auf, jedoch ein leises zischen verrät uns, dass es nicht dicht ist. Schei.e, nun müssen wir auf den Reserveschlauch von Günther zurück greifen. Also, Rad runter, Reifen mit dem Seitenständer aus dem Felgenbett pressen, mit den  Montiereisen aushebeln und Schlauch hineinwurschteln. Anna hat ein Probepackerl Haarschampoo in der Tasche, das eignet sich hervorragend zum einschmieren des Reifen und dann wird wieder alles in der umgekehrten Reihenfolge montiert. Die Prinzessin läuft wieder, leicht zittrig, weil ja nicht gewuchtet, aber dennoch. Bei der nächsten Tankstelle sind zwei kleine Buben. Wir tauschen unsere Fahrzeuge, er sitzt auf der Prinzessin und ich auf seinem Fahrrad.
Spät kommen wir in Los Antiguos an, kochen noch Spagetti und fallen ins Bett.


05.01.2020 Tag 115 10-17 Grad leicht bewölkt 8:30 aufstehen.

Unsere Motivation geht heute gegen 0. Jeder bröselt irgend etwas umher, keinen interessiert etwas. Um 10 Uhr beschließen wir zu fahren. Es gibt hier einen Pass mit dem Namen Rodolfo Raballo mit Grenzübergang zu Chile, der soll recht schön sein. Wir fahren erst mal an der Abzweigung zum Pass vorbei.  Beim zweiten Versuch finden wir die Strecke. Zuerst fahren wir eine Schotterstraße mit ziemlich viel Wellblech, aber mit jedem Kilometer wird die Straße kurviger, die Berge bunter und die Landschaft schöner. Die Strecke ist echt wunderschön. An der Grenze sitzt ein Zöllner, alle Formulare müssen von Hand ausgefüllt werden. Ich bin mir sicher, dieser Pass rückt ganz noch vorne zu den Best off#s.
Bei der Abfahrt Richtung Caraterra Austral beginnt es leicht zu regnen, was aber es ist gut, da es den Staub etwas mindert. Es tut so gut, weg von der braunen eintönigen Pampas in die grüne Landschaft zu fahren. Nach 270 Kilometer reines Offroad kommen wir nach Puerto Tranquillo wo wir schon mal waren. Wir haben uns die berühmten Marmorkathetralen für den Rückweg aufgehoben. Und genau diese werden wir morgen besuchen.


06.01.2020 Tag 116 10-17 Grad bewölkt 8:00 aufstehen

Von Marmorkathetralen hat man ja so seine Vorstellung. Wir besuchen heute Marmorkathetralen der ganz anderen Art. Mit einem Boot fahren wir um 9 Uhr auf den Lago Buenos Aires zu den Marmorinseln hinaus. Gut dass wir wasserdichte Hosen und Jacken bekommen haben, denn die Wellen sind hoch und es spritzt. Zuerst fahren wir zu einem Schiffswrack, eine Hinterlassenschaft von einer Bergbaufirma. Weiter geht es zu den Marmorinseln wo das Wasser Gewölbe und Säulen geformt hat. Es ist echt bewundernswert was da der Baumeister Natur gebaut hat. Ich hoffe auf den Bildern bekommt man ansatzweise einen Eindruck davon.
Bei der Rückkehr haben wir noch drei super Begegnungen.
1.
Ein deutsches Paar mit einem zum Wohnmobil selbst ausgebauten Unimog. Da hab ich um eine Besichtigung gebeten. Stolz lässt uns der Besitzer in jedes Kasterl schaun. Natürlich gibt es viel zu plaudern und erzählen.
2.
Zwei kanadische Brüder, wo ein behinderter Rollstuhlfahrer einen nicht behinderten Motorradfahrer auf einer GS mit einem selbst ausgebauten Kastenwagen begleitet. Es ist echt herzerwärmen zu hören wie die Beiden über ihr Reiseprojekt erzählen. So viel Lebensmut und Lebenslust kann man sich nur wünschen. Auf Impact Overland findet man sie auf Facebook.
3.
Ein Wohnmobil mit der Aufschrift Ice to Ice ...Michael Strasser. Das ist doch der wahnsinnige Österreicher der mit dem Fahrrad von Alaska nach Feuerland, 24.000km in einer Rekordzeit gefahren ist. Das Wohnmobil war sein Begleitfahrzeug und er hat es in Ushuaia an Chilenen verkauft.

Das Internet funktioniert schon den zweiten Tag im Hostel nicht. Ist ja gar nicht schlecht, ich komme wieder einmal gut zum lesen und am Abend sitzen wir mit Bier und Chips zusammen und spielen Uno. Welch Wunder....


07.01.2020 Tag 117 4-10 Grad Vollgas Regen 8:00 aufstehen
Das heutige Teilstück der Carretera Austral bis Coyhaique sind wir ja schon hinunter gefahren und das ist echt schön. Heute schüttet es in Strömen und es hat 4 Grad und wir fahren hinauf. Von dem "echt schön" sieht man heute leider nichts. Völlig durchgefroren, Günther und Anna auch durchnässt kommen wir in Coyhaique an. Wir stürzen gleich in das  erstbeste Schnellimbiss und überschwemmen erst mal alles. Wir können den Wirt überreden dass er den kleinen Holzofen im Gastraum einheizt. Mit heißem Tee und einem Grillhendl kommen die Lebensgeister langsam wieder zurück.
Schnell suchen wir uns diesmal ein Apartment, weil wir Platz zum Sachen trocknen benötigen. Meine Prinzessin hat einen neuen Ton in ihr Klangspektrum aufgenommen. Ein Klappern im vorderen Bereich entpuppt sich als loser Kotflügel. Das schau ich mir morgen an, wenn es hoffentlich nicht mehr regnet.


08.01.2020 Tag 118 4-14Grad Vollgas Regen 9:00 aufstehen

Regenbogenprogramm:

Nicht bald aufstehen
Nicht packen
Nicht im Regen fahren
Nicht Hostel suchen

Nicht Sachen trocknen

Dafür lange schlafen
Dafür gemütlich frühstücken
Dafür Prinzessin verwöhnen
Dafür spazieren gehen
Dafür eine nette Belgierin im Cafe kennenlernen
Dafür gemeinsam einkaufen
Dafür gemeinsam super gut kochen
Dafür lernen wie man Crep.Suzette macht
Dafür gemeinsam dinieren.
Dafür lesen


Ein schöner Regentag!

(Anmerkung: Prinzessin und Belgierin stehen nicht in Konkurrenz zu meiner lieben Frau)


09.01.2020 Tag 119 4-17 Grad leicht bewölkt 8:00 aufstehen

Heute fällt die Verabschiedung total herzlich aus, der lieben Oma drückt es sogar ein paar Abschiedstränen heraus. Jetzt haben wir für nächsten zwei Tage die Überstellungsfahrt von Anna zum Flughafen. Wir müssen den Kontinent einmal komplett durchqueren. Zuerst geht es wieder mal an die Grenze. Das Gebäude sieht sehr neu aus und die Beamten dürften noch in Einschulung sein. Dementsprechend dauert es heute ein wenig länger. Nach der Grenze folgen 100 km schlechte Piste die dann in die Routa 40 einmündet. Ab hier geht es auf wunderbaren Asphalt weiter. Um halb vier erreichen wir heute schon unser Tagesziel Sarmiento. Ein Hotel ist schnell gefunden und weil man um diese Zeit in Argentinien nichts zu Essen bekommt stillen wir unseren ärgsten Hunger mit Kaffee und was Süßes in einem Café.


10.01.2020 Tag 120 10-26 Grad leicht bewölkt 8:30 aufstehen

Bosques Petrificados oder versteinerter Wald, das wollen wir uns heute ansehen. 20 Kilometer Ribbio, sollte ja kein Problem sein ......dachten wir. Die Realität ist die Hölle, tiefer Schotter in Verbindung mit 90 kmh Seitenwind. Ich bin echt am verzweifeln, fahre ich zu langsam bläst mich der Wind um, fahre ich zu schnell frisst mich der Schotter. Ich schaue immer wieder in den Rückspiegel, plötzlich ist das Licht von Günther weg, das Motorrad liegt. Ich fahre zurück, wir stellen das Motorrad auf und begutachten den Schaden. Der Seitenkoffer ist total verbogen. Als wir gerade mit Steinen beginnen auszuklopfen, hält ein Schweizer Wohnmobil und wir werden gefragt, können wir helfen? Mit einem Hammer helfen sie uns und so können wir den Koffer halbwegs ausbiegen. Vorsichtig fahren wir die restlichen Kilometer bis zum steinernen Wald. Naja, Wald ist eine Übertreibung, jedoch liegen überall versteinerte Baumstämme und Holzscheite herum. Schon beachtlich, denn die sind mehrere Millionen Jahre alt, da sollte sich Xyladecor usw. was abschauen. Spaß haben wir mit dem Wind, bei 90 kmh kommt man schon ein wenig ins Fluggefühl. Apropos fliegen, Anna muss ja morgen zum Flughafen, also schmeißen wir uns wieder auf unsere Bikes und trotzten den nächsten 40 km schlimmste Piste. Die nächsten 120 km nach Comodoro Rivadavia sind dann bester Asphalt, welch Freude. Günther fährt mit seinem kaputten Koffer zum Schlosser, Anna und ich gehen Einkaufen und kochen Zucchininudeln. Mit einer Flasche Vino Tinto lassen wir den Abend ausklingen


Heute habe ich die 20.000 km-Marke geknackt

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Kommentare: 4
  • #1

    Andrea (Samstag, 11 Januar 2020 20:32)

    Wieder tolle Bilder, gute Story...Danke für den Nachsatz am 7.1. Mein Schatz! Ich freu mich schon sooooo aufs nachkommen

  • #2

    Jürgen P. (Samstag, 11 Januar 2020 21:30)

    Hallo Hubert;

    Verfolge Deine Tour seit mehreren Monaten mit Begeisterung und freue mich wahnsinnig, dass Du Deinen Traum nun Leben darfst, da ich durchaus weiß wie lange Du ihn schon verfolgst bzw. was es auch bedeutet haben muss dies zu realisieren ^^

    Behalte Dir weiterhin Deinen Mut, Deine Zuversicht und vor allem Deine unerschütterliche positive Einstellung bei ^^

    Alles Gute und noch einen geilen Trip wünschen Dir

    Jürgen + Martina P. und natürlich auch der kleine Flo

  • #3

    Hans Gruber (Mittwoch, 15 Januar 2020 17:13)

    Bis zum Cerro Torre ist mir vieles bekannt gewesen. Nun betrittst Du für mich Neuland. Ich folge Dir gespannt auf deinem Trail! Was mich wundert, und was ich dir/euch natürlich vom Herzen gönne sind die "fehlenden" Unbilden von gefährlichen Menschen: Räuber, Diebe, Raufbolde...
    Im übrigen wünsche ich Euch natürlich einen blühenden Südamerikanischen Sommer! (Bald mit Frau!!!)
    Herzliche Grüße. Un abrazo grande! Hans

  • #4

    Günther W (Freitag, 31 Januar 2020 14:58)

    Das Kochen der Zuchininudeln war übrigens von einem Zwischenfall überschattet, als vom Dunstabzug ein dicker, fetter, schwarzer Batzen in die Soße fiel und nur durch den sofortigen und selbstlosen Einsatz von Hubert wieder herausgefischt worden konnte. Anna hat’s gesehen und trotzdem gegessen